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Es ist nicht alles Gold was gepostet wird
Facebook, Instagram und Co. vermitteln uns das Gefühl, dass bei allen anderen immer die Sonne scheint. Auch, und ganz besonders dann, wenn sich bei uns selbst nur trüber Dauerregen zeigt. Da kann es sein, dass wir uns in unserem Singleleben plötzlich minderwertig fühlen, dass sich unsere Partnerschaft unter der Lupe wiederfindet und dass unser eigentlich geliebter Job scheinbar mehr einem Hamsterrad als einer Karriereleiter ähnelt. Unsere Freunde und Bekannte heiraten, bekommen Kinder, fantastische Jobs am Fließband und haben ganz nebenbei immer das perfekte Outfit am Start. Wir vergessen, dass im Netz nur das gezeigt wird, was wir sehen sollen. Wir begehen den großen Fehler: wir vergleichen unser Leben mit dem golden glänzenden Bildern und Posts der anderen. Was daraus resultiert ist klar. Unzufriedenheit. Unzufriedenheit mit uns, unserem Leben, unserer Motivation im Bereich Liebe, Karriere, Fitness, Foodinterest, Mode, Urlaub und so weiter und so fort. Was wir in unserer Unzufriedenheit nicht bedenken: wir alle stellen uns im Netz so positiv wie möglich dar, Realität und unsere Inhalte in Social Networks klaffen auseinander und sind so unvollständig wie unsere Stempelkarte beim Zahnarzt. Ich bin, genau wie die meisten, da keine Ausnahme. Ich habe nicht vor, also wirklich niemals nie, ein Foto von mir zu posten wie ich krank über der Toilette hänge. Genauso wenig werde ich jemals all meinen Freunden online berichten, dass ich von einem Date nie wieder angerufen wurde. Ich behalte meine Niederlagen für mich, die Erfolge werden geteilt. Und trotzdem komme ich nicht auf den Gedanken, dass es den anderen genauso ergeht, dass auch sie keine unvorteilhaften Selfies hochladen oder uns daran teilhaben lassen, wenn ihr Partner nie die Toilette sauber hinterlässt. Das ist dann doch zu privat. Aber das Ultraschallbild von Mia-Marie (natürlich mit Bindestrich) wird frei zugänglich für immer im Netz betoniert. Würde ich ja auch so machen. Ein besonders gelungenes Beispiel ist mein alter Freund Tom. Tom und ich haben zusammen gearbeitet und uns die letzten drei Jahre aus den Augen verloren. Natürlich nehmen wir via Netz trotzdem am Leben des anderen teil. Und so sind mir fast die Augen aus dem Kopf gefallen als ich in einem Anfall von nächtlicher- wie soll es anders sein- Unzufriedenheit auf seinem Profil hängen blieb. Tom schien sich drastisch verändert zu haben, plötzlich bezeichnete er sich selbst als glücklichen Familienvater und Ehemann, alles natürlich untermauert mit schicken Bildern zum Träumen. Ich sah sie mir alle an, ich las jede Liebeserklärung an Kind und Kegel, jede gemeinsame fantastische Unternehmung in vertrautem Familienkreis. Ein leichtes Ziehen in meiner Brust machte sich bemerkbar. Der Tom den ich kannte, erkannte ich nicht mehr wieder. Keine Saufgelage mit Kumpels, keine Bindungsängste, keine bereuten Entscheidungen. Das Ziehen wurde zu einem großen Klumpen aus Neid. Wenn selbst er solide und glücklich war, warum dann nicht auch ich? Und schon war ich wieder beim Vergleichen, bewunderte seine hübsche Frau und vermisste jemanden ähnlich adäquaten auf meiner anderen Seite vom Bett. Für mich sah sein Leben wie Goldmarie aus während ich die Pech Marie stellte. Der Zufall wollte es, dass Tom ein paar Wochen später geschäftlich in der Stadt war und wir uns zum Essen trafen. Nach den ersten vier Drinks war alles beim alten, wir sprachen über unsere Leben und es stellte sich heraus, dass Tom sein Kind zwar liebt, aber nicht lange am Stück ertragen kann. Das gleiche gilt für seine Frau. Er gestand mir, dass er zum Glück sehr viel wegen seinem Job unterwegs ist und so nur an den Wochenenden im gemeinsamen Eigenheim den Vorzeige-Ehemann gibt. Und auch wenn es unfair klingt, aber sein nicht ansatzweise perfektes Leben ist für mich eine große Erleichterung. Es holt mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Wir alle inszenieren uns online, wir behalten unsere Niederlagen für uns, die Erfolge werden geteilt. Es erinnert mich auch daran, dass nicht alles Gold ist was glänzt, oder in diesem Fall, dass nicht alles Gold ist was gepostet wird.